Das Iliosakralgelenk


Schmerzen im hinteren seitlichen Beckenbereichs können häufig vom Iliosakralgelenk herrühren. Hier biete ich einerseits die Diagnosestellung, als auch die Infiltrationstherapie und eventuell die Fusion des Gelenkes minimalinvasiv und kombiniert mit einer Verödung der Schmerzfasern an.

Was ist das Iliosakralgelenk?

Das Iliosakralgelenk (ISG) wird auch Kreuzdarmbeingelenk genannt, denn es verbindet Kreuzbein und Darmbein. Es ist ein Teil des Beckens und verbindet Wirbelsäule und Hüften. Dort stabilisiert dieses sehr komplexe Gelenk den Körper, indem es die Kraft vom Oberkörper auf die Beine überträgt. Im Normalfall ist es nur minimal beweglich. Nur bei der Geburt eines Kindes hat es eine Scharnierfunktion. Obwohl ihm nachgesagt wird, Bewegungsbelastungen auszugleichen und Stösse abzufangen, sind genau diese Funktionsübernahmen oft der Grund für Schmerzen.

ISG Arthropathie

Durch hohe Belastung, z.B. nach Geburten, aber auch durch Bandscheibenprobleme, Fehlhaltungen, Unfälle oder Übergewicht, können die Gelenkflächen des Iliosakralgelenks mehr beansprucht werden. Dabei kann sich der Knorpel mit zunehmendem Alter mehr und mehr abnutzen, sodass schliesslich eine Arthrose entsteht. Aber auch andere Funktionsstörungen des Gelenkes können unabhängig davon, ob eine Arthrose besteht, Schmerzen bereiten. Man spricht in diesem Fall vom schmerzhaften dysfunktionellen Gelenk. Dieses wird oft gesehen, wenn in der unmittelbaren Nachbarschaft des ISG ein Bewegungs-Problem besteht (z.B. eine Versteifung der Wirbelsäule, eine eingeklemmte Nervenwurzel, eine Arthrose der Fazettengelenke, eine Hüftarthrose, etc). Das Iliosakralgelenk kann die Ursache für chronische Rückenschmerzen sein.

Rückenschmerzen: Symptome einer ISG Arthropathie

Die Beschwerden können sehr unterschiedlich sein, meist jedoch:
– Rückenschmerzen im unteren Rücken am Übergang der Lendenwirbelsäule zum Steissbein, oft nicht in der Mitte sondern eher seitlich
– Schmerzen im Gesäss
– Rückenschmerzen mit Ausstrahlungen in die Hüftgegend
– Rückenschmerzen im Gesäss mit Ausstrahlung in Oberschenkel und Bein und Wade (aber oft nicht ins Knie)
– Unruhiges Sitzen und häufiges Wechseln der Sitzposition

ISG Arthrose – die unerkannte Krankheit

Die ISG Arthrose oder Arthropathie gehört zu den am häufigsten übersehenen Krankheiten und führt daher oft zu tieflumbalen Rückenschmerzen, die langfristig falsch oder gar nicht behandelt werden – weil ihre Ursache nicht erkannt wird.
Die Anatomie des ISG ist sehr komplex und die ISG Arthropathie gehört weder bei Wirbelsäulenspezialisten, Orthopäden, Rheumatologen oder Chiropraktikern zum normalen Zuständigkeitsbereich. Weil Rückenschmerzen aufgrund einer ISG Arthropathie mit bekannten Tests nicht exakt diagnostiziert werden können, müssen Patienten oft eine Reihe unterschiedlicher Fachärzte aufsuchen und enden nicht selten in einer unangebrachten psychosomatischen Behandlung.

Diagnose der ISG Arthropathie

Die meisten klinischen Provokationstests sind zur Diagnose einer ISG Arthropathie ungeeignet, unter anderem, weil sie Hüftgelenk und Wirbelsäule mit einbeziehen. Um die ISG-Arthropathie zu diagnostizieren, habe ich selbst einen einfachen und sehr empfindlichen manuellen Test entwickelt (PSIS-Distraktionstest), welcher die Diagnose zuverlässig stellt.
Auch ein Röntgenbild eignet sich nicht zum Ausschluss einer ISG Arthropathie. Leider helfen auch spezielle bildgebende Verfahren wie die Computertomografie, Magnetresonnanztomographie oder die SPECT/CT oft nicht weiter. Sie können aber wertvolle Hinweise auf das Bestehen einer anatomischen Variante oder Instabilität geben.

Die klinische Untersuchung und die Bildgebung müssen durch einen Infiltrations-Test ergänzt werden. Dabei werden sowohl das Gelenk direkt, als auch die Nervenfasern im Bandapparat mit Lokalanästhetika betäubt. Reduziert sich der Schmerz um 75% oder mehr, ist eine iliosakrale Arthropathie diagnostiziert und einer Therapie steht nichts mehr im Wege.

Behandlung der ISG Arthropathie

Akute Schmerzen werden mit Schmerzmitteln in Verbindung mit kühlenden und später wärmenden Massnahmen gelindert. Bei einer zugrunde liegenden Beinlängendifferenz wird der Ausgleich durch orthopädische Schuhe geschaffen. Physiotherapie sowie Dehnung und Mobilisation können eingesetzt werden, helfen aber oft nur kurzfristig. Längerfristige Schmerzlinderung kann durch die kombinierte Infiltration des Gelenkes und auch des Bandapparates mit den darin liegenden Nervenfasern erreicht werden. Bei dieser Schmerztherapie ist es wichtig, dass die Person, die die Infiltration des Gelenkes/Bandapparates durchführt, mit der Innervation (Nervenversorgung) des Gelenkes vertraut ist. Andernfalls nützen diese Infiltrationen oft nichts und die Verdachtsdiagnose wird (fälschlicherweise) verworfen.

In Fällen, in denen die Schmerztherapie zwar gut, aber nur kurz gewirkt hat, kann ein chirurgischer Eingriff angebracht sein. Hier erfolgt eine minimalinvasive Fusion (Stabilisation) mit speziellen Implantaten. Ich verwende dazu entweder das von mir entwickelte Implantat MUST SI (Firma Medacta) oder das iFuse-System (Firma SI-Bone). Grundsätzlich kombiniere ich beide Verfahren mit einer Verödung der Schmerzfasern im Bandapparat (endoskopische Denervation), um noch bessere klinische Resultate zu erzielen. Offene Operationen mit Anlagerung von Eigenknochen und aufwändigen Stabilisationen sollten vermieden werden, da sie problembehaftet sind und kaum zum gewünschten Erfolg führen.

Fusion des Iliosakralgelenkes / Sacroiliac fusion

Bsp. für eine Fusion des Iliosakralgelenkes

Krankheitsbilder im Zusammenhang mit ISG Arthropathie

Die korrekte Diagnose und Behandlung einer ISG Arthropathie ist wichtig, weil sie in Verbindung mit mehreren anderen Krankheitsbildern an Wirbelsäule oder Becken stehen kann.

Skoliose

Eine unerkannte und unbehandelte ISG Arthropathie durch einen Beckenschiefstand oder eine Beinlängendifferenz kann in einer funktionellen Skoliose resultieren: Die Wirbelsäule versucht, das schief sitzende Becken auszugleichen und verkrümmt sich dadurch einseitig. Auch umgekehrt kann eine ISG-Arthropathie von Fehlstellungen darüber oder darunter entstehen.

Bandscheibenvorfall

Bandscheibenprobleme, eingeklemmte Nervenwurzeln oder Arthrose an den Fazettengelenken können alle Ursache einer ISG Arthropathie sein. Dies rührt daher, dass der Körper Alternativ-Beweglichkeiten sucht, um dem anderen Schmerz auszuweichen (Schonhaltung). Schmerzen im Iliosakralgelenk werden oft als Bandscheibenproblem diagnostiziert, da die Symptome sehr ähnlich sind. Eine solche Fehldiagnose kann für Patienten einen langen Leidensweg verursachen, weil die eigentliche Schmerzursache unentdeckt und damit unbehandelt bleibt.

Morbus Bechterew

Morbus Bechterew ist eine besondere Form des entzündlichen Rheumas und betrifft ausser den Wirbeln auch die Iliosakralgelenke. Hier steht die rheumatologische Behandlung im Vordergrund. In den allermeisten Fällen von ISG-Arthropathien liegt aber gar kein Morbus Bechterew vor. Dies erklärt auch die Tatsache, dass in den MRI keine Auffälligkeiten ersichtlich sind (im Gegensatz zum Morbus Bechterew). Die Beschwerden reagieren dementsprechend nicht auf die rheumatologische Behandlung.

Piriformis-Syndrom

Der Piriformismuskel zieht vom Kreuzbein aus dem Becken heraus zur Hüfte und stabilisiert das Becken in der aufrechten Bewegung. Es wird angenommen, dass beim sogenannten Piriformis-Syndrom der straffe Muskelbauch den Ischiasnerv einklemmt und so zu Schmerzen führt. Allerdings kann eine Beeinträchtigung des Nerven in der Elektrophysiologie praktisch nie nachgewiesen werden. Auch die Schmerzaustrahlungen entsprechen kaum einem bestimmten Dermatom (Hautareal, welches von einem Nerven bedient wird). Meist handelt es sich beim Piriformis-Syndrom um ein fehldiagnostiziertes ISG-Syndrom.


Fusion des Iliosakralgelenkes / Sacroiliac fusion

Bsp. für eine Fusion des Iliosakralgelenkes